Das Kunst-, Film- und Theaterprojekt Der Tieger
von Äschnapur
Der Tieger von Äschnapur Unendlich: Die grossen Vorwürfe! 1980 - 1985
Alles begann damit, dass am Anfang die Maharani bei einem Sylvesterausflug auf dem Lande sagte: nur der bekommt meine Tochter,
die bezaubernde Prinzessin, der den Tieger von Äschnapur bringt. Daraufhin wurden alle Frauen Verwandte und alle Männer
Tiegerjäger. (A.S. 1977)
1979/1980 gibt es die ersten Vorwürfe auf den Tieger von Äschnapur Unendlich. Dies ist auch der Beginn der
Theaterarbeiten mit Video: Münchner Volkstheater, 1980 (u.a. Ausstellung "Videoinstallationen
Münchner Künstler", Künstlerwerkstätten Lothringer 13, 1981) und Zahltag der Angst, 1981 (der gleichnamige
Videofilm aus Zahltag der Angst bei "Videokunst in Deutschland 1963 - 1982", Lenbachhaus München, Nationalgalerie
Berlin, u.a., 1982), beides Vorwürfe auf den Tieger von Äschnapur Unendlich. "Für sein Münchner Volkstheater hat er
(Alexeij) sich in sein Video-Gerät zurückgezogen. Und vom Bildschirm aus (...) gibt er seinen Volksschauspielern seine
Regieanweisungen zur Zerstörung der folkloristischen Klischees." (DIE ZEIT, 30. Mai 1980).
Durch die Auseinandersetzung mit dem "Tieger von Äschnapur Unendlich" und seinen "Vorwürfen" Münchner Volkstheater
und Zahltag der Angst wird die Produktion Küssende Fernseher vorstellbar und am 24. Dezember 1983
in München, Dachauerstraße 128, Halle 22 realisiert. Die Fernsehapparate werden jetzt zu lebenden Skulpturen.
Auch wenn "Der Tieger von Äschnapur" und seine "Vorwürfe" im Titel Küssende Fernseher nicht ausdrücklich
erwähnt werden, ist Küssende Fernseher der dritte "grosse" Vorwurf auf den "Tieger von Äschnapur Unendlich".
1987 ist das proT mit Küssende Fernseher zur documenta 8 eingeladen.
Küssende Fernseher wird für die documenta vor Ort in Kassel neu hergestellt und am 10. Juli aufgeführt.
Der Vorwurf: Der Standpunkt, von dem aus der Vorwurf geworfen wird, ist hier - also in dieser Welt, in Europa, in der BRD,
in Bayern, in München, in der Isabellastraße 40, in den Mitarbeitern des proTs.
Der Vorwurf wird sowohl nach draussen geworfen (angeblich hat einmal ein bekehrter Germanenkönig einen Speer vor sich hingeworfen und da,
wo der Speer dann heruntergegangen ist, hat er eine Kirche gebaut), als auch nach drinnen, also in einen selbst hinein - wobei
die Wirkungen der verschiedenen Wurfrichtungen ähnlich schwer auseinanderzuhalten sind wie die Explosion und eine Implosion - was
wir selbst feststellen konnten als wir die Bildröhren von Fernsehapparaten eingeschmissen haben.
Auf die Bewegungen, die der Titel Der Tieger von Äschnapur Unendlich auslöst, treffen auch auf die
einmaligen Vorwürfe: Geschlossene Öffentlichkeiten: 1. Universität
(Hörsaal der LMU München, 10. Dezember 1979), Kunst aus dem Hühnerarsch (proT, München, 04. Oktober 1980),
Das weisse Band (Johannisplatz, München, 23. Mai 1981, 11 Uhr)
und Exorzismus (Dachauer Hallen / Möbelhalle, München, 31. Dezember 1984).
1980 - Münchner Volkstheater
Vorwurf auf den Tieger von Äschnapur Unendlich
UA: 17. Mai 1980, proT, Isabellastrasse 40, München.
Handlung mit zwei Akteuren und mindestens einem Videomonitor.
Die Handlung wird durch die Film-Ereignisse Münchner Volkstheater Einspielband gesteuert.
Handlungszeit Karfreitag null Uhr bis Ostersonntag.
Erste Theaterarbeit von Alexeij Sagerer mit Video.
Nach der Uraufführung am 17. Mai 1980 wird Münchner Volkstheater bis zum 23. August 1980 über 50 mal im proT gespielt.
Vom 23.-25. Oktober 1981 ist Münchner Volkstheater Teil der Ausstellung "Videoinstallationen Münchner Künstler"
in der Lothringer Straße 13.
Vorbemerkung von Elmar Zorn im Katalog "Videoinstallationen Münchner Künstler":
Anläßlich des Symposiums "Europäische Videotheken", das vom 23.10. bis 25.10. im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Vor-Film"
des Kulturreferates gemeinsam mit der Städt. Galerie im Lenbachhaus stattfand und der erste Schritt zu einer verstärkten
Präsentatierung der künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten des Mediums Video in München war, wurden als Begleitveranstaltung die
wichtigsten Münchner Künstler, die mit Video umgehen, eingeladen, in den Künstlerwerkstätten Lothringer Straße Video-Installationen
zu erstellen und Performances mit Video zu machen.
Daß als Ergebnis dieses Angebotes die vorhandenen Räume der Fabrik so exemplarisch in die raumgreifenden und raumwirksamen
Dimensionen der Installationen eingepaßt wurden, ist der spontanen und äußerst flexiblen Bereitschaft der Künstler zu gemeinsamen
Planungen zu verdanken. Mit relativ geringen Mitteln des Veranstalters entstanden intellektuell und artistisch anspruchsvolle Arbeiten,
die der interessierten Münchner Öffentlichkeit und den anwesenden Gästen des Symposiums einen so hohen Maßstab von Qualität vorführten,
daß sie Fortsetzungsveranstaltungen dieser Art legitimiert, ja herausgefordert haben.
Am 31. Mai 1985 ist Münchner Volkstheater Teil der Alexeij Sagerer Retrospektive beim 7. Internationalen Theaterfestival München.
Von 1983 bis 1985 findet Münchner Volkstheater jeweils am Karfreitag an wechselnden Orten in München statt:
01. April 1983: Loft, Kirchenstrasse 15; 20. April 1984: Theaterhalle Dachauerstrasse 128;
05. April 1985: Kulturzentrum Gasteig, Blackbox.
Die Frau: Agathe Taffertshofer. Der Mann: Erhard Sonnengruber.
Videoschauspieler: Jürgen von Hündeberg, Brigitte Niklas, Alexeij Sagerer, Sophia Pherachthis Mariä Sagerer,
Erhard Sonnengruber, Agathe Taffertshofer. Videotechnik: Vips Vischer.
THOMAS THIERINGER, Süddeutsche Zeitung, 19. Mai 1980 Mit der Sonne gegen die Welt Sagerers "Münchner Volkstheater" im proT
Was Claus Peymann mit Thomas Bernhards "Ignorant und der Wahnsinnige" im berühmten Salzburg nicht genehmigt wurde,
schafft Alexeij Sagerer in seinem proT-Keller ohne viel Aufhebens: ein Theaterspiel in völliger Finsternis zu beginnen.
Alles ist vorstellbar. Aber weil es in der neuesten proT-Produktion (wieder einmal) um das Volkstheater geht, wird man
in dieser unendlichen Dunkelheit sogleich auf die Unterhaltung gebracht: Erschreckendes Gelächter tönt durch das Gewölbe,
hergeleitet von folkloristischen Ziehharmonikaklängen, und aus der schwarzen Nacht treten ins Schummerlicht, säuberlich
in Klarsichtfolien gepackt, Agathe Taffershofer und Erhard Sonnengruber, das vielversprechende großes Liebespaar. Sie
bieten alles, was man von einem unterhaltenden Volkstheaterabend erwartet, Liebe und Leidenschaft, Blut und
Sterbensröcheln, Wilddieberei, Jodler und ein mit großen Gefühlen und banalen Worten vorgetragenes Duett. (...)
HELMUT SCHÖDEL, DIE ZEIT, 30. Mai 1980 Blick voraus ins Nichts Schauspiel in München: grosses Theater an kleinen Theatern
(...) Alexeij Sagerer erzählt in einer langen Video-Szene am Ende seines Projekts, was dieses Aussteigen im schlimmsten Fall
auch bedeuten kann. Sagerer entwirft stehend, liegend, während eines katastrophalen Step-Tanzes, eine "geisterhafte
Theater-Theorie". Über dem Abgrund schweben, heißt es darin, könne man eigentlich nur über dem Theater. Am Schluß
kommt ihm die "Idee von einem ganz sanften Stück": Alexeij will sich die Pulsadern öffnen. (...)
Film-Ereignisse
Münchner Volkstheater
1981 - Zahltag der Angst
Vorwurf auf den Tieger von Äschnapur Unendlich
UA: 16. Oktober 1981, proT, Isabellastrasse 40, München.
Zahltag der Angst ist komponiert aus Intensitäten. Kein Wort wird live gesprochen.
Die Handlung findet in zwei angrenzenden Räumen (Raum A und Raum B) statt, die durch zwei voneinander entfernt liegende Durchgänge
miteinander verbunden sind. In der Wand zwischen den beiden Durchgängen muss eine Öffnung sein, gross genug, um die Kamera hindurchfilmen
zu lassen. Handlung mit fünf Personen, fünf Videomonitoren, zwei Videorekordern und je einer Videokamera pro Raum.
Zahltag der Angst wird nach der Uraufführung am 16. Oktober 1981 im proT in der Isabellastrasse
in diesen Räumen noch über 70 mal gespielt.
1983 wird Zahltag der Angst ausgehend von den Abläufen
in der Isabellastraße für die proT-Halle neu hergestellt. Dabei wird Zahltag der Angst in die proT-Halle hineingebaut,
das heisst, es entstehen völlig neue Räume.
Der Zahltag der Angst in diesen Räumen hat Premiere am 15. Oktober 1983 und wird anschliessend 11 mal aufgeführt.
Eine grundsätzliche und bleibende Veränderung gegenüber den Aufführungen in der Isabellastraße betrifft die
Musikeinspielungen: an die Stelle der Schlußmusik "Anaklasis"
und "Fluorescenses" von Krzystof Penderecki tritt "Symphony Nr. 3 (Gloria)" von Glenn Branca.
Vom 28. bis 30. Mai 1985 ist Zahltag der Angst mit drei Aufführungen Teil der Alexeij Sagerer Retrospektive beim 7.
Internationalen Theaterfestival München. Diese Aufführungen gehen von den Abläufen für Zahltag der Angst
von 1983 in der proT-Halle aus.
Die Besetzung der einzelnen Produktionen von Zahltag der Angst bleibt über all die Jahre gleich:
Die Maharani (Cornelie Müller), Die Großmaharani (Brigitte Niklas), Die bezaubernde Prinzessin (Agathe Taffertshofer),
Der konventionelle Tiegerjäger (Alexeij Sagerer), Technik (Telse Wilhelms).
THOMAS THIERINGER, Süddeutsche Zeitung, 19. Oktober 1981 Mit nackter Haut "Zahltag der Angst" von Alexeij Sagerer im proT
(...) In "Zahltag der Angst" versetzt Sagerer die Zuschauer mit Urweltpaukenklängen und rasenden Lichtbändern mitten hinein
in den "Krieg der Sterne": Rüstungsträger trippeln durch den Raum, holde Wesen schweben mit Leuchtröhren vorbei, die Farben
jagen sich wie bei einer Lichtreise ans Ende der Dinge. Langsam entstehen dann "Bilder", kommen Figuren ins Spiel, indem
Sagerer - zuerst als Schlagzeuger im Rollstuhl von zwei Krankenschwestern in den Raum gebracht - wieder kräftig und mit
phantasievollem Ingrimm gegen die konventionellen Theaterphilosophien zu Felde zieht: indem er das professionelle
Theater-Abc verweigert, eben nicht Schauspieler einen vorgegebenen Text vor Zuschauern spielen lässt und trotzdem und gerade
nichts als Theater bietet - in wunderlich schönen Bildern. Etwa wenn Agathe Taffertshofer mit einem Kerzenleuchter
zu Maria Callas' zersprungen gesungener Bellini-Arie wie im Traum tanzt. Oder in sehr komischen Szenen, wenn Sagerer
selbst demonstriert, was Playback bedeutet. Kaugummikauend und mit seinen sehr langen Haaren im Kampf tritt er vors
Mikrophon, bekleidet nur mit einer Trachtenlederhose und einem Cassettenrecorder; den hält er ans Mikrophon, lauscht
kenntnisreich und mit Stolz den Klängen und gestaltet die Nummer mit erfühlten Placierungen des Recorders vor dem Mikrophon.
Ein Auftritt, der diesem Theaterdenker und Volksschauspieler wie "auf den Leib geschrieben" ist. Was das aber wirklich bedeutet,
das demonstriert er dann genüsslich an seiner Mannschaft auf nackter Haut.
Sagerer und sein proT haben sich weit abgesetzt von übrigen Münchner Theatern - auch vom FTM. Ganz auf sich allein gestellt,
zieht man in diesem kleinen Kellertheater gegen den Rest der Welt und fürchtet sich nicht.
Handlung Raum A - Zuschauerraum
(Auszug aus Textfassung in "Der Fernseher ist der Gipfel der Guckkastenbühne")
Das Zuschauerlicht geht aus. Dann hört man über die Lautsprecher Musik für Schlagzeug ("First Construction in Metal" von John Cage)
und die Leuchtröhre auf dem fahrbaren Unterteil eines Kinderwagens geht an. Kurz darauf erscheint auf den drei Monitoren das Bild eines
Monitors, der näher kommt bis er bildfüllend im Bild ist, wo er dann aussieht, als wären viele Monitore hintereinander gestaffelt.
Dieses Monitorbild verändert sich während der nun folgenden Handlungen im Raum fortwährend: es verzerrt sich, es zuckt, es steht,
es verschwimmt, es wird rhythmisch unterbrochen, wird rot, blau, blaugrün, violett, blaurot, hellgrün, wird nur Farbe, wandert
in den Farben, verblasst, zittert, stürzt.
Die Maharani kommt langsam durch die Goldfolie beim Durchgang Eins herein. Sie trägt schwarze Gummistiefel, einen grauen
Plastikkittel, der hinten zugeknöpft ist, weisse, dreifingrige Plastikhandschuhe und einen silber-grauen, geschlossenen
Ritterhelm aus Pappe. Ihre Arme sind angewinkelt und sie bewegt sich in kleinen, abgesetzten Schritten zur brennenden
Leuchtröhre auf dem fahrbaren Kinderwagenunterteil. Dort bleibt sie stehen, beugt sich nach unten, fasst mit beiden Händen das
Kinderwagenunterteil, schiebt es langsam zum Durchgang Zwei und hinaus.
ROLF MAY, TZ, 21. Oktober 1981 Collage aus Schein und Spiel
(...) Das Theater ist Theater ist Theater (oder doch nicht?). Sagerer, in seiner Produktion ernsthafter, weniger auf Lacher aus als bisher
(oder war ich nur ernsthafter?) setzt sich diesmal ganz mit dem Theater auseinander. Mit seiner Wirklichkeit und seinem
Abbildungs-Charakter, mit Rollenspiel, und Theatertheorie. Dabei spielt er Hase und Igel mit uns - wo immer wir auf
eine Ebene von Schein und Spiel treten, steht Sagerer schon wieder hinter der nächsten Ecke und war längst da.
Man darf sich das nicht als nacherzählbares Stück vorstellen - eher schon, in der Art einer Performance, als eine Collage aus
verschiedenen Elementen zu einem Thema: Spielszenen, nur scheinbar chaotisch von Sagerers vier Darstellerinnen gespielt
(Cornelie Müller, Agathe Taffertshofer, Brigitte Niklas und Telse Wilhelms), Photos, Text und vor allem viel Videofilm,
zum Teil vorproduziert und zum Teil während der Vorstellung aufgenommen.
Gerade durch die witzig-intelligenten Video-Einsätze, die Sagerer als Mittel des Theaters verwendet, reflektiert
und kommentiert, hat sich das proT als mehr erwiesen als nur eine versponnene Nonsens-Bühne. Nämlich ein Stück
Münchner Avantgarde.
Die Theaterdoku zeigt den live-Film der VHS-Kamera aus dem Videoübertragungsraum, der über die Monitore in Raum A (Zuschauerraum)
zum Publikum übertragen wird. Die drei Frauen hängen die Polaroid-Photos, die sie unmittelbar vorher von jedem Zuschauer gemacht haben,
in ein Gestell im Videoübertragungsraum. Premiere Zahltag der Angst im proT, 16. Oktober 1981. Die drei
Frauen: Agathe Taffertshofer, Brigitte Niklas und Cornelie Müller. Kamera: Der Mann (Alexeij Sagerer) und die Technikerin
(Telse Wilhelms).
Handlung Raum B - Videoübertragungsraum
(Auszug aus Textfassung in "Der Fernseher ist der Gipfel der Guckkastenbühne")
Während die letzte Szene des Videofilms "Zahltag der Angst" auf dem Zuspielmonitor läuft, steht die Technikerin auf
und schaltet einen 500-Watt-Scheinwerfer in Raum B ein, der ein Gestell mit einer Treppe davor beleuchtet. Dann geht die Technikerin
zum Durchgang Zwei. Durch Durchgang Eins kommen die bezaubernde Prinzessin, die Maharani und die Grossmaharani
herein und gehen zu dem Gestell mit Treppe. Auf dem Weg dahin kreuzen sie die Kamera. Daraufhin schwenkt der Mann die Kamera mit den
drei Frauen mit, bis sie vor dem Gestell mit Treppe sind. Dann stellt er die Kamera fest, blendet mit der Fernbedienung den Ton des
Zuspielmonitors ab und reguliert die Lautstärke für Kamera und Raummikrophon. Inzwischen steht die Maharani auf der Treppe
und die bezaubernde Prinzessin reicht ihr aus dem Krankenhausnachttisch den Kassettenrekorder und nimmt dafür die
Polaroidkamera. Die Maharani schaltet den Kassettenrekorder ein und hängt ihn ins Gestell. Die bezaubernde Prinzessin
legt die Polaroidkamera in den Krankenhausnachttisch. Aus dem Kassettenrekorder kommt das Lied "Du, du liegst mir
am Herzen" in der Fassung von "Brechreiz". Mit Beginn der Musik verlässt die Technikerin mit dem Rücken zuerst knicksend
und lächelnd den Raum durch Durchgang Zwei. Währenddessen steht die Maharani auf der Treppe und lässt sich durch die Grossmaharani
von rechts die Polaroidphotos und durch die bezaubernde Prinzessin von links Wäscheklammern anreichen, mit denen sie die
Polaroidphotos ins Gestell hängt. Nachdem alle Photos aufgehängt sind, gehen die drei Frauen nach links und ziehen sich um.
Mit dem Ende des Liedes kommt die Technikerin knicksend und lächelnd durch Durchgang Eins zurück und der Mann schaltet den
150-Watt-Strahler in Raum B aus. Die Technikerin geht zur Kamera und der Mann zieht sich um.
Zahltag der Angst - Intensitäten
Film auch für Kino - U-Matic Highband - Farbe/Ton - 00:31:16 Std. - Prod. proT - 1981
Der Film Zahltag der Angst - Intensitäten ist auf U-Matic Highband gedreht, also "Videokunst".
Gleichzeitig ist er aber auch wie "Kino" gedacht.
Er entsteht während der Arbeit an der Theaterproduktion
"Zahltag der Angst - Vorwurf auf den Tieger von Äschnapur Unendlich".
Gleichzeitig ist er eine von der Theaterproduktion unabhängige Komposition aus 51 kurzen Filmen von jeweils 31 Sekunden.
Zahltag der Angst - Intensitäten konfrontiert die "Intensität" verschiedener Unmittelbarer
Bewegungen, Materialien und Inhalte miteinander: Personen, Gegenstände, Farben, Licht, Musik, Geräusche, Sprache, Texte,
Abläufe.
Von Juni 1982 bis März 1983 ist Zahltag der Angst - Intensitäten Teil der Videoausstellung
"Videokunst in Deutschland 1963 - 1982" (Ausstellungsorte: Kölnischer Kunstverein, Badischer Kunstverein Karlsruhe,
Kunsthalle Nürnberg, Städtische Galerie im Lenbachhaus München, Nationalgalerie Berlin).
Drei Frauen: Cornelie Müller, Brigitte Niklas, Agathe Taffertshofer. Eine Stimme: Telse Wilhelms. Interview:
Alexeij Sagerer mit Herrn Lazarowicz, dem Leiter des Theaterwissenschaftlichen Instituts der Ludwig-Maximilian-Universität
in München. Videotechnik: Vips Vischer. Ein Film von Alexeij Sagerer.
1983 - Küssende Fernseher
Obwohl die Produktion "Küssende Fernseher" eine eigenständige Komposition ist, die
den "Vorwurf auf den Tieger von Äschnapur Unendlich" nicht im Titel führt, entsteht sie im
Umfeld der phantastischen Vorstellungen "Der Tieger von Äschnapur Unendlich" und "Die Vorwürfe
auf den Tieger von Äschnapur Unendlich".
24. Dezember 1983, München, Dachauerstr. 128, Halle 22, 22:00 Uhr. "Küssende Fernseher" wird zum
ersten Mal realisiert.
Seit 1979 gibt es die Auseinandersetzung mit der Vorstellung eines "Tieger von Äschnapur Unendlich"
und gleichzeitig eine Vorstellung von "Vorwürfen" auf diesen Tieger. Die ersten mehrmals gezeigten Produktionen,
die daraus entstehen, sind Münchner Volkstheater (1980) und Zahltag der Angst (1981).
Mit diesen Produktionen beginnt auch die Auseinandersetzung mit Video und dadurch gleichzeitig
die Auseinandersetzung mit Fernsehapparaten. Küssende Fernseher begreift die Fernsehapparate als "lebende"
Skulpturen. Küssende Fernseher ist nur in grossen Hallen möglich und wird für jeden Ort neu und einmalig hergestellt.
Die Dauer der Aufführungen liegt zwischen 35 und 50 Minuten.
1987 ist das proT mit Küssende Fernseher zur documenta 8 nach Kassel eingeladen.
Bis heute gibt es vier Aufführungen von Küssende Fernseher.
INGRID SEIDENFADEN, Abendzeitung, 27. Dezember 1983 Explosives Mattscheiben-Ballett DachauerStraße: Sagerers "Küssende Fernseher"
Im dunklen Ziegelwand-Schuppen an der Dachauer Straße, einem von der Bundeswehr
(zugunsten pflegeleichter Neubauten) verlassenen Stall, leuchtete fremd, kaltweis und wundersam das Licht von
einem runden Dutzend Schwarzweiß-Fernsehern. Am Heiligen Abend präsentierten Alexeij Sagerer und sein
proT-Ensemble ihr Medienspektakel "Küssende Fernseher".
Einzelne Lichter in der verlassenen Schuppenstadt an der Dachauer Straße: Der Zirkus "Atlas"
(angenehme Erinnerung ans vergangene Theaterfestival) schlug hier mit Mensch und Tier sein Winterquartier auf.
Aus Autos winden sich vermummte Menschen - reichlich hundert mögen es sein, viele bekannte Gesichter -,
drängen sich in die Halle, wo die Fernseher fern und schwerelos von der Decke baumeln. Sie machen, bei
vier laufenden Programmen, ihr eigenes Medienlicht. Sie schweben, plappern, rastern unartig, singen, predigen.
Durcheinander, übereinander, nach allen vier Himmelsrichtungen, vermischt mit schriller, dann zarter werdender
proT-Musik.
Das sind keine laufenden Programme mehr, an denen man sich festhalten, denen man (mit der Dabei-sein-Illusion)
beiwohnen kann. Das Medium hat sich auf so irreale wie wahnsinnige Weise selbständig gemacht: Die da, an
der Wand lang, hin- und hinaufstarren, wirken wie ein inneraustralischer Eingeborenenstamm, der ein fremdes,
beängstigendes Wunder bestaunt. Indes die daheim einfach einschalten, Du sagen zu ihrer Mattscheibe.
Sagerer hat den TV-Alltag kunstvoll verfremdet, benutzt die Apparate als Akteure. Arm, weil sie nichts sind
ohne Fütterung, wundersam, wenn man sie nicht versteht. Berühren (küssen - welch altmodisches Wort)
können sie sich nur durch Menschenkraft. Und wenn sie sich richtig anfassen wollen - dann explodieren sie.
Gewalt ist im Spiel, furchtbare Energien: küssen unmöglich. Dies die metaphorische Pointe. Nach dem
Kunstknall war man erleichtert, bekannte Gesichter zu sehen, Menschen noch begrüßen zu können ...
Küssende Fernseher - die vier Aufführungen:
proT, Halle 22 (spätere Negerhalle), Dachauerstr. 128, München
Schwinger: Cornelie Müller, Franz Lenniger; Technik: Alexeij Sagerer
24. Dezember 1983, 22:00 Uhr
documenta 8, Reihe "Technik und Medien", Renthof, Kassel
S: Werner Eckl, Franz Lenniger, Werner Prökel; T: Alexeij Sagerer
10. Juli 1987, 18:00 Uhr
2. Münchner Combinale, Alamabahalle, Schleißheimerstrasse 418, München
S: Werner Eckl, Franz Lenniger, Werner Prökel, Ossi Oswald; T: Alexeij Sagerer
12. Dezember 1987, 20:30 Uhr
Die letzten 10 Tage - Festival der Sinne, Negerhalle, Dachauerstrasse 128, München
S: Marc Parisotto, Frieder Kahlert, Andreas Tröger, Franz Lenniger; T: Alexeij Sagerer
24. März 1989, 21:00 Uhr
Küssende Fernseher - documenta 8, 1987
10. Juli 1987, 18:00 Uhr
documenta 8, Reihe "Technik und Medien", Renthof, Kassel (YouTube 3:30 Minuten)
Küssende Fernseher von Alexeij Sagerer bei "Documenta Live - Technik und Medien".
In einer 400 qm grossen und 10 m hohen Halle hängen, stehen und liegen 40 Fernsehapparate.
Nach einer festgelegten Choreographie produzieren die Apparate ihre Bilder, tönen, schwingen,
pendeln, fallen und implodieren.
Die Öffnung der Guckkastenbühne mit Franz Lenniger und Werner Eckl.
"documenta 8 live - Performance Aktion Ritual", herausgegeben von Elisabeth Jappe. Ein Film von Thomas Göttemann, Michael Leidenheimer, Knut Schäfer.
Eine Produktion der documenta GmbH mit Unterstützung von SONY Deutschland.
Der Film-Comics proT-Tip Werbefilm wird 1980 und die folgenden Jahre in Münchner Kinos
(z.B. den Leopoldkinos und dem Isabellakino) als Werbefilm gezeigt.
Der "Der Tieger von Äschnapur" befindet sich 1980 mitten in den Vorwürfen auf Unendlich;
also vor allem bei den Produktionen "Münchner Volkstheater" und "Zahltag der Angst".
proT-Tip Werbefilm ist in einer Einstellung gedreht; in
gewisser Weise wie ein Film-Ereignis. Eine Zoomfahrt verengt am Ende die Bildkomposition auf die Lederhose.
Akkordeon: Cornelie Müller. Sprecher und Gesang: Alexeij Sagerer. Kamera: Sepp Heyne.
Ein Film von Alexeij Sagerer.
1977 - 1985 Der Tieger von Äschnapur 1, 2, 3 und Null
1979 - 1984 Der Tieger von Äschnapur Unendlich: Einmalige Vorwürfe!
1985 - 1990 Die Konzerte am VierVideoTurm geboren auf der Tiegerfarm
1985 - 1987 Letzte Tiegerspuren bringen Musik Musik
SEITEN - ABSPANN
Lust auf proT - proTshortcuts auf YouTube
proT-shortcuts auf YouTube sind intensive Film-Ausschnitte von oder mit proT:
Theaterdokumentationen, live-film, Unmittelbarer Film ... oder kurze proT-Filme wie Film-Comics,
Vorfilme, Werbefilme ...
proT auf YouTube: proTshortcuts
Inzwischen über 170.000 Views angeführt von den 4 FAVORITES mit je über 10.000 Aufrufen:
Tanz in die Lederhose: 25.799 Views, Vorfilm für Voressen: 17.392 Views,
Frau in Rot: 13.852 Views und Ottfried Fischer hustet Alexeij Sagerer: 10.165 Views.
(Stand 14.05.2024) und siehe auch Rote Wärmflasche tanzt auf Platz 5 mit überraschenden
8165 Aufrufen, Maiandacht mit 7742 Views, Erste Bierrede zur Kunst mit 5263 Views ...