Warum kann Alexeij Sagerer sich sich selbst immernoch leisten
Kommentar von Alexeij Sagerer zu Nachtkritik.de "Ein armes Leben im reichen", Sabine Leucht
(20.03.2018)
Sabine Leucht, Nachtkritik.de, 20.03.2018
"(...) Vernetzung versus Münchner Mentalitäten
Als sich Anfang 2017 das Netzwerk Freie Szene München gründete, war es im Vergleich zu anderen Städten spät dran.
Noch mehr verwundert, dass es überhaupt zu einer gemeinsamen Interessenvertretung gekommen ist. Denn die Tanz- und
Theatermacher dieser Stadt lassen sich schon aus Prinzip ungern über einen Kamm scheren. "Freie Szene?", schnaubte
vor Jahren Alexeij Sagerer, "Das erinnert an kleine Fische, die sich zusammentun, um wie ein großer Fisch zu wirken."
Sagerer, der bereits in den Siebzigern neben Rainer Werner Fassbinder und George Froschers FTM nicht nur Münchner
Theatergeschichte schrieb, reicht seit 2016 Projektanträge auf null Euro Förderung ein, weil er die Achtung vor dem
ergebnisoffenen Arbeiten von Seiten der zunehmend kontroll- und projektfixierten Kulturpolitik vermisst.
Da hat er zwar Recht; doch nur, wer mehr als 40 Jahre kontinuierlich von der Stadt gefördert wurde, kann sich das
leisten. Die meisten, die unter dem Dach des Netzwerks für mehr Probenräume, mehr Geld, für Bürokratieabbau und
mehr Verständnis für die Prozesshaftigkeit künstlerischen Arbeitens streiten, wagen davon nicht mal zu träumen.
Auch deshalb fordert das Netzwerk selbstbewusst eine Vervierfachung der Fördermittel auf zehn Millionen Euro.
Wenn man sieht, dass viel weniger reiche Kommunen wie Dresden und Augsburg erst kürzlich die ihren verdoppelt haben,
mutet das gar nicht mal so utopisch an. Zumal das Geld sich in München auf mindestens acht feste freie Häuser,
sechs Infrastrukturmaßnahmen und drei Jurys verteilen würde, die über die Vergabe von Projektfördergeldern im
Bereich (Musik-)Theater/Performance, Tanz und Kindertheater entscheiden. (...)"
Alexeij Sagerer, Kommentar auf Nachtkritik.de, 23.03.2018
Warum kann Alexeij Sagerer sich sich selbst immernoch leisten...
Nein, liebe Sabine, das kann ich mir nicht leisten, weil ich 40 Jahre kontinuierlich von der Stadt
gefördert wurde.
Wenn es danach geht, kann ich mir jetzt Hartz IV leisten. Wer ist denn dieser Meinung oder wie
kommst du zu dieser
Meinung, dass man sich "das" nur nach 40 Jahren kontinuierlicher Förderung leisten kann?
Da hättest du vielleicht einpaar Zahlen vergleichen sollen.
Es wurde auch nicht ergebnisoffen gefördert, sondern am permanent entstehenden Ergebnis entlang
gefördert. Es wurde auch nicht einfach kontinuierlich gefördert, sondern eher an diesem
permanent entstehenden Ergebnis entlang gekämpft.
Und es wurde nicht einfach anonym gefördert, sondern es gab künstlerische Ereignisse und zwar
andere als man bisher kannte und man wollte sie haben in dieser Stadt und für diese Stadt.
Offensichtlich braucht die Stadt das Andere nicht mehr, weil es das jetzt kennt, und in ihren eigenen Einrichtungen
selbst herstellen kann oder durch ihre Einrichtungen kontrollieren will. So bist du jetzt in die Werbung für eine
weitere städtische Einrichtung, wie ein Produktionshaus oder was auch immer, als Endlösung für alle unkontrollierten
künstlerischen Prozesse, eingestiegen. Das ist nichts Unrühmliches, man sollte aber nicht das eine Andere mit dem
anderen Anderen verwechseln und schon gar nicht falsch darstellen.
Womit ich wieder zum Anfang meines kleinen Textes komme. Warum kann Alexeij Sagerer sich sich selbst immer noch leisten
(und dabei lacht er auch noch), wenn nicht wegen der "40 Jahre kontinuierlicher Förderung durch die Stadt"? Weil er
dann doch lieber verreckt als im Falschen, vielleicht, zu überleben! Aber er ist doch immer noch da. Also zum
Abschluss noch ein Quiz! Warum verreckt Alexeij Sagerer nicht?
Er bekommt doch Hartz IV.
Er ist ein begnadeter Roulettespieler.
Er hat Glück bei den Frauen.
Der Verein zur Förderung von Unmittelbarem Theater wird total unterschätzt.
Er benützt das Verrecken als Produktionsmittel.
Er hat Fähigkeiten von denen er dir garnichts erzählt hat.
Er dreht sich einfach nicht um.
Nachtkritik
Sabine Leucht: "Ein armes Leben im reichen"
Freie Szene München - Warum München eine Vervierfachung der Fördermittel für die
Freie Szene braucht auf www.nachtkritik.de
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